hans gysi

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Kritiken

Lieber Hans

Nun hatte ich heute Nachmittag so 30 bis 40 Minuten in Zürich zum vertörlen, bevor ich zum nächsten Termin musste, und statt in ein Café zu sitzen tat ich, was ich in solchen Fällen oft tue: ich ging in eine Buchhandlung, um etwas zu stöbern und zu lesen. Und siehe, da lag säuberlich eingeschweisst – ein neuer Gedichtband von Hans Gysi, der einen tag mit chiligeschmack versprach. Natürlich kaufte ich es und steckte es, noch eingeschweisst, in meine Mappe. Aber vorhin im Zug von Zürich nach Uster befreite ich es von seinem Plastic und begann, eine alte Gewohnheit, von hinten nach vorne zu stöbern. Schon hörte ich die Stimme von Hans im innern Ohr, wie er rezitierte. Freute mich am bekannt Klingenden. Aber dann, plötzlich, ein anderer Ton. Gedichte von einer feinen Leichtigkeit mit fast singendem Tonfall, Gedichte, bei welchen die Worte einen zunächst zu umschweben scheinen, aber dann bleibt plötzlich der Geist an einem Wort hängen, sinnt ihm nach, sinnt dem ganzen Text nach, der Vielfalt und Nachdenklichkeit, die sich ohne Pathos auftut. Diesen Hans kenne ich noch nicht, und es ist eine Freude, Neues bei Dir zu entdecken! Wie es immer eine Freude ist, etwas Neues zu erleben, aber das ist Dir ja vertraut, das spürt man aus Deinen Gedichten. Schön auch, was zwischen den Gedichten und den Fotos von Silvia passiert. Dann begann der Zug vor Uster zu bremsen und ich blätterte zügig weiter zurück und blieb schliesslich an Deiner Biographie hängen: Da steht zu lesen, dass der Hans am 4. April 1953 geboren sei. Und das heisst: Heute hast Du Geburtstag! Und heute stosse ich auf Dein Buch! Was für eine grossartige Fügung! Ich gratuliere Dir ganz herzlich zu Deinem 66. Geburtstag! Und ich gratuliere Dir nicht minder herzlich zum chiligeschmack! Das musste ich jetzt - heimgekommen - sogleich in den Computer tippen. So, und jetzt gehe ich zurück zum Buch und beginne diesmal wie es sich gehört von vorne!

Ganz herzliche Grüsse!

 Alfred Zimmerlin, Cellist 

Laudatio "pocket songs" zum Rilke Preis 2012 (erster Preis) 

Laudatio in Sierre 17. August 2012 

Der erste Preis geht an den Ostschweizer Lyriker Hans Gysi. Seine „Pocket Songs“ streifen durch eine Vielzahl von Themen: Sprachspielerische Scherzgedichte finden wir ebenso wie eigenwillige Liebeslieder oder Hommagen an die grossen Poeten der Vergangenheit von Rilke über Benn und Brecht bis hin zu Bachmann, kritische Gedankenlyrik steht neben lyrischen Notaten aus dem Alltag, Reflexion über Grundfragen der Existenz neben dem poetischen Aperçu über Wesen der Dichtkunst. Doch trotz dieser Vielfalt von Tönen gelingt es Gysi auf wunderbare Weise durch den ganzen Band eine einheitliche Tonart durchzuführen: Seine Gedichte sind damit zugleich von grosser Vielfalt und geprägt durch eine starke, persönliche Hanschrift. Was am meisten beeindruckt, ist vielleicht, wie sehr es dem Autor dabei gelingt, das Leichte, das Spielerische in der Schwebe zu halten mit dem Ernst der Aussage und dem menschlichen Tiefgang - man darf das Paradox wagen: Die besten dieser Gedichte sind zugleich gewichtig und schwerelos. Hans Gysis „ Pocket Songs“ sind so ein Gedichtband, der im Leser lange nachhallt, in dem wir eine lyrische Stimme hören, die reif geworden ist ohne die tänzerische Leichtigkeit der Jugend verloren zu haben, sie sind, sagen wir es ganz offen, ein Koffer voll poetischen Glücks.  Virgilio Masciadri

Neue Zürcher Zeitung, 2. März 2002, Ressort Feuilleton

Die dünne Krankenschwester. 111 Kleine Schäden. Erzählungen. Verlag Im Waldgut, Frauenfeld 2002.

Schaden nehmen

amo. Auch wenn das gute Möbel einen Wasserschaden hat, muss es nicht verloren sein, und ein Blechschaden am Auto ist noch das denkbar kleinere Übel. Das Wort Schaden führt als guten Schatten das Wort Begrenzung mit sich. Es ist ein geheimer Imperativ zum Arrangement. Hans Gysi präsentiert Erzählungen über «111 Kleine Schäden», die uns versichern, es könnte schlimmer kommen. Leben heisst Schaden nehmen.

Neue Zürcher Zeitung   FEUILLETON   Samstag, 05.02.2005 

morning poems, Verlag Wolfau Druck, Weinfelden 2004

«halb traum halb wolke» 

B. En. Wer vom Schlaf in den Tag gleitet, berührt ein Zwischenland, in dem sich Halbvollendetes ins Leben tastet. Aus diesem Bereich stammen viele der Gedichte, die Hans Gysi zwischen 2001 und 2003 aufgezeichnet hat. Selbst wenn angeblich alles entdeckt ist, birgt doch jeder Morgen seinen Zauber, aber auch seinen Schrecken und Schmerz. So wandeln sich die «morning poems» bisweilen zu «mourning poems». In durchaus unkonventionellen Imaginationen skizziert Gysi sein lyrische Landschaft